Rebellion & Risiko


Wenn die frühen Wurzeln keine zuverlässige Sicherheit verankern konnten, sucht der Mensch später im Außen, was im Inneren fehlt. In der Jugend wird dieser Prozess besonders spürbar: Die Suche nach Zugehörigkeit, nach Grenzen, nach Sinn und nach spürbarem Erleben wird intensiv – manchmal verzweifelt.


Risikoverhalten, Substanzkonsum oder extreme Erfahrungen sind dabei nicht bloß Ausdruck von Rebellion. Sie können – bewusst oder unbewusst – Strategien sein, um emotionale Leerstellen zu füllen. Sie schaffen ein Gefühl von Kontrolle, Verbindung oder sogar Geborgenheit, dort, wo das innere System keinen stabilen Halt gefunden hat.


Dort, wo die eigene Biografie wenig Sicherheit bietet, wird das Außen zum Versuchslabor: Freundschaften, Peergroups, Szenen, Musik, virtuelle Welten – all das kann temporär stützen. Doch auch riskantes Verhalten kann sich als Form des Selbstschutzes zeigen. Es erzeugt Intensität, wo innerlich Leere herrscht. Es erzeugt Ritual, wo Orientierung fehlt. Es erzeugt Rausch, wo Schmerz überwiegt.


Pädagogisch bedeutet das: Wer junge Menschen begleitet, muss nicht nur Grenzen setzen, sondern Räume öffnen. Räume, in denen sich neue Wurzeln bilden dürfen – langsam, vorsichtig, unaufdringlich. Beziehungen, die Halt geben, ohne zu vereinnahmen. Impulse, die neugierig machen, ohne zu drängen. Präsenz, die spürbar ist – selbst wenn sie nicht laut wird.


Denn auch äußere Wurzeln brauchen Zeit, Erde und Licht. Und manchmal ist das erste echte Wachstum das Vertrauen, dass man nicht mehr alles allein regulieren muss.